Die Unterstellung: Generation Z, Y, X, Babyboomer etc. haben verschiedene Einstellungen

Will die Generation Z nicht mehr arbeiten? Ist die Generation Z fragil? Schwört die Generation Z beim Dating auf die Sterne? Ist sie die „Generation Bindungsunfähig“ (jetzt übrigens auch als Film)?

Vor ein par Jahren wurden mir diese Fragen über die Generation Y gestellt (die angeblich zwischen  Anfang der 1980er bis 1999 geboren wurde). Nun bekomme ich fast täglich solche Anfragen von Journalisten zur Generation Z (die angeblich seit dem Jahr 2000 geboren wurde).

Meist ist der Anlass, dass wieder ein TikTok Video, Managementguru, eine Entertainerin, Aktivistin oder Twitteruserin ein entsprechendes Gerücht in die Welt gesetzt hat, übrigens fast immer, ohne sich auf Daten stützen zu können. So schreibt ein vermeintlicher Generationenforscher, er komme zu seiner Charakterisierung der Generation Z aufgrund eines „Aufsatz aus einer wissenschaftlichen Zeitschrift, den zwei Forscher aus Gazibad (einem Vorort von New Delhi) verfasst haben [sowie], Zeitungsartikeln […], Blogs, Foren [und] dokumentierte Einzelbeobachtungen“ (Scholz 2014: 29f.).

Genau so lesen sich die meisten Generationenbeschreibungen auch. Hier eine Auswahl:

Gen Y ordne angeblich alles dem Ziel unter, „in Beruf und Karriere voranzukommen.“ Gleichzeitig schreiben dieselben Autoren über dieselbe Generation, ihr seien „Gestaltungsmöglichkeiten, gutes Betriebsklima und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weitaus wichtiger als eine steile Karriere“ (Hurrelmann und Albrecht 2014: 33, 42).

Auch habe die Generation Y eine „lauernde Angst vor dem Absturz“ doch gleichzeitig sei sie „immun gegen Ungewissheiten“ (Hurrelmann und Albrecht 2014: 24, 41)

Zwar habe die Generation Y eine „realistische und pragmatische Weltsicht”, doch gleichzeitig verliere sie „vorübergehend die Maßstäbe für die reale Welt“ (Hurrelmann und Albrecht 2014: 42f.).

Ebenso stehe die Generation Y „zwischen pragmatischem Idealismus und robustem Materialismus“ (Albert et al. 2015: 34)

Andere meinen gar, dass sich „Ypsiloner subtile Farben und natürliches Licht [wünschen]. Farbnuancen in entspannten Aquamarinblau- und Grüntönen sind beliebter als grelle, bunte Farben“ (Mangelsdorf 2014: 35).

Genauso absurd sind die Aussagen über die Generation Z. Für diese stehen angeblich „Bedürfnisse nach Sicherheit, Orientierung und Zugehörigkeit […] flexibel neben Leistungsorientierung und Ehrgeiz sowie dem Wunsch nach Abwechslung, individueller Entfaltung und Lebensgenuss“ (Klaffke 2014: 73).

Doch was sagt es aus, dass eine Generation vermeintlich „viel Wert auf Emotionen“ legt und „die Strategien der Zukunft neu definieren“ (Parment 2013: 9, 11) will?

Solche Aussagen sind wie Horoskope. Sie behaupten etwas und gleichzeitig dessen Gegenteil, so dass man sich mit einem von beiden identifizieren kann. Oder sie machen Aussagen, die so inhaltsleer sind (wer legt keinen Wert auf Emotionen?), das sie immer passen.

Es gibt anscheinend keine Generationenthese und kein Generationenvorurteil, welches nicht abenteuerlich genug ist, damit irgendein vermeintlicher Generationenexperten es nicht bestätigen würde. Das bietet praktischerweise ja auch die Möglichkeit, mehr oder wenig unauffällig auf das gerade verfasste “Gen Z”-Buch oder das zum Schnäppchenpreis angebotene generationensensible BindungsBooster Coaching hinzuweisen.

Dabei zeigen Metastudien: Es gibt keine Generationen.

Doch was heißt das überhaupt, dass es Generationen gibt? Klassischerweise steckt dahinter folgende Generationenvermutung: Abhängig davon, wann Menschen geboren sind, unterscheiden sie sich in ihren Einstellungen, egal wann man sie fragt (das wäre stattdessen ein Periodeneffekt) und egal wie alt sie gerade sind (das wäre stattdessen ein Alterseffekt).

Beide letzteren Annahmen stimmen: Menschen verändern ihre Einstellungen mit dem Alter. Und wir alle denken heute anders als früher. Doch das sind eben beides gerade keine Generationeneffekte. Denn Generationeneffekte bedeuten vielmehr, dass Menschen aufgrund ihres Geburtszeitpunktes anders sind, und zwar unabhängig von ihrem Alter und unabhängig davon, wann man sie fragt.

Doch stellt man diese letzteren beiden in der Wissenschaft als “Alters-“und “Periodeneffekte” bekannten Effekte in Rechnung, bleiben eben kaum “Generationeneffekte” übrig. Man kann Einstellungen von Menschen also mit ihrem Alter erklären und man kann Einstellungen von Menschen damit erklären, wann sie befragt wurden. Aber man kann Einstellungen von Menschen kaum mit deren Geburtsjahr erklären. Und insofern gibt es keine Generationen.

Die Forschungsliteratur fragt deswegen längst nicht mehr, ob es Generationen gibt, sondern wieso wir immer noch an Generationen glauben, obwohl jeder, wirklich jeder, der ernsthaft versucht, Einstellungen durch Generationenzugehörigkeit zu erklären, herausfindet, dass es keine Generationen gibt. Ich kann dies sagen. Ich bin schließlich selbst zu dem Thema gekommen, weil mir eine Literaturagentur einen lukraktiven Buchvertrag in Aussicht stellte, wenn ich doch nur zeigen könnte, dass die Generation Y anders sei. Nur: ich fand nichts. Weil es allen anderen, die sich ernsthaft mit den Daten beschäftigen, ebenso geht, wurde in der Forschungsliteratur schon ein Nachruf auf das Generationenkonzept verfasst. Internationale Umfrage-Institute lassen deshalb mittlerweile Generationenunterscheidungen fallen. Denn sie erklären nichts. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger. Und so gehen bei mir weiterhin täglich Emails mit derselben Frage ein: Gibt es die Generation Z, Y, X (und bald sicherlich A, B und C) nicht doch? Zumindest vielleicht ein bisschen?

Weil es wenig Sinn macht, nur immer wieder dieselben Antworten aufzuschreiben, verfasse ich diesen Blogpost, den ich jedes Jahr mit den neuesten Daten updaten werde. Analog zur Vorgehensweise meines begutachteten Fachzeitschriftenartikels zu diesem Thema zeige ich hier mit den derzeit neuesten Daten des sozio-oekonomischen Panels (SOEP v38, erschienen 2023, alle Einstellungsvariablen mit langfristigen Befragungen von circa 85 000-670 000 Interviews zwischen 1984 und 2021), warum es messbar kaum Sinn macht, Generationen zu unterscheiden.

Dabei rechne ich erst die oben genannten Alters- und in einem zweiten Schritt die oben genannten Periodeneffekte heraus, um zu testen, ob nach diesen beiden Effekten Einstellungsunterschiede übrig bleiben, welche man also mit dem Geburtsjahr einer Person und insofern mit ihrer vermeintlichen Generationenzugehörigkeit erklären kann. Denn zu sagen, dass beispielsweise 18-jährige anders über Arbeit denken als 40-jährige, sagt noch nichts über Generationen aus, sondern nur über Alt und Jung. Deswegen kann man über Generationen nur etwas aussagen, wenn man die Einstellungen von Menschen gleichen Alters vergleicht. Dies macht bei den untenstehenden Grafiken immer die linke Seite jeder Darstellung. Und siehe da: dort sieht es in der Tat oft so aus, als ob unterschiedliche Geburtenkohorten unterschiedliche Einstellungen haben.

Doch das unterschlägt den zweiten Einflussfaktor, den man ebenfalls rausrechnen muss, wenn man von Generationen sprechen möchte: Wer 1990 geboren wurde, konnte nicht schon 1980 nach seiner Meinung gefragt werden. Wer also später geboren wurde, wurde im Schnitt auch später nach seiner Meinung gefragt. Doch wir alle denken heute anders als früher. Dass heute alle anders denken als früher, ist aber ebenfalls kein Generationeneffekt, sondern vielmehr ein Effekt des historischen „Zeitgeistes“, welcher dazu führt, dass wir alle unsere Meinung mit der Zeit ändern. Wenn beispielsweise heute alle weniger arbeiten wollen, sagt das nichts über Generationen aus, insofern es eine Veränderung ist, die alle gleichermaßen betrifft, unabhängig davon, wann sie geboren wurde. Es ist eine Einstellungsveränderung, die die gesamte Gesellschaft betrifft, statt eine Einstellung, die Generationen voneinander unterscheidet.

Von Generationen kann man gegenüber diesen Alters- und Periodeneffekten somit nur sprechen, wenn Menschen gleichen Alters zum gleichen Zeitpunkt je nach Geburtszeitpunkt unterschiedliche Einstellungen haben. Letzteren sogenannten Periodeneffekt berücksichtigt auch die rechte Seite der untenstehenden Grafiken, um Einstellungsunterschiede zu zeigen, die man wirklich auf das Geburtsjahr, statt nur auf das Alter und den Befragungszeitpunkt zurückführen kann.

Und siehe da, dabei zeigt sich im wesentlichen, was die ernsthafte Forschungsliteratur immer wieder argumentiert: Berücksichtigt man den Effekt unterschiedlicher Lebensphasen und Befragungszeitpunkte, bleiben kaum Generationeneffekte übrig. Junge denken also anders als Alte. Und wir alle denken heute anders als früher. Doch bestimmte Generationen denken nur selten systematisch anders, wenn man sie im gleichen Alter und zum gleichen Zeitpunkt befragt. Aber gehen wir das Einstellung für Einstellung durch.

Die Daten

Das sozio-oekonomische Panel hat über 80 000 Menschen von 1984 bis 2021 über 600 000-mal Fragen gestellt wie: “Machen Sie sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz?” Antworten darauf können lauten: 1 „Keine Sorgen“, 2 „Einige Sorgen“ oder 3 „Große Sorgen“. Eine andere Frage wäre: “Wie wichtig, ist es für sie persönlich, sich selbst zu verwirklichen” mit den möglichen Antworten 1 „ganz unwichtig“, 2 „weniger wichtig“, 3 „wichtig“, 4 „sehr wichtig“. Ich habe alle Einstellungsfragen untersucht, für die es genug Daten gibt, um zu berechnen, ob Antworten sich je nach Generation unterscheiden. Die Frage lautet also: Unterscheiden Generationen sich in ihren Sorgen, Prioritäten, Zielen und in ihrem Engagement unabhängig von ihrem Alter und unabhängig davon, wann man sie befragt?

Einstellungen zu Beruf und Wirtschaft

Dabei habe ich Geburtenkohorten immer in Fünf-Jahres-Kohorten eingeteilt und jeweils dazu geschrieben, mit welcher Generation diese Kohorte normalerweise assoziiert wird. So sind die “BB 55” die sogenannten Babyboomer, die von 1955 bis 1959 geboren wurden usw.

Fangen wir mit dem vielleicht wichtigsten Thema an: Ist einer bestimmten Generation Arbeit weniger wichtig? Die linke Grafik zeigt, dass eine Kohorte nach der anderen sich vermeintlich weniger Sorgen um ihren Arbeitsplatz macht. Nun aber zu der Interpration: Auf einer Skala von 1-3 sanken diese Sorgen von den 1930 Geborenen bis zur aktuellen “Generation Z” immer weiter, von etwa 1,9 für die 1930 Geborenen auf 1,3 für die ab 2000 Geborenen. Diese Werte sind berets bereinigt um den Effekt des Alters. Es werden also nicht Alte mit Jungen verglichen, sondern Menschen im selben Lebensalter.

Doch die rechte Grafik zeigt: fast alle Effekte liegen am Periodeneffekt: Die später geborene Generation Z wurde später gefragt, als alle sich weniger Sorgen um ihren Arbeitsplatz machten, auch die früher Geborenen, die allerdings im Schnitt früher gefragt wurden. Hält man diesen Periodeneffekt konstant (rechte Grafik), zeigt sich, dass Generationen, die man zur selben Zeit befragt, sich fast alle gleich wenig Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen.

Das bedeutet: Befragt man Generationen zur selben Zeit (beispielsweise 2020), hat die sogenannte “Generation Z” einen Wert von 1,52 auf der “Sorgen um Arbeitsplatz”-Skala von 1-3, während die um 1930 Geborenen einen Wert von 1,87 haben. Das ist ein Unterschied. Aber eben nur ein kleiner. Und trotz den zehntausenden Befragten ist der Unterschied kaum statistisch signifikant, was man daran sieht, dass das graue Konfidenzintervall kaum über der Nullinie liegt, die die Einstellung der Generation Y markiert (die letzte Generation mit vollständigen Daten). Wir sind heute also alle weniger besorgt um unseren Arbeitsplatz als früher. Doch es ist dieser Periodeneffekt, vielmehr als der Effekt der Generationenszugehörigkeit, welcher erklärt, ob jemand sich Sorgen um seinen Arbeitsplatz macht.

Genauso ist es mit Sorgen über die generelle wirtschaftliche Entwicklung. Der linke Graph sieht so aus, als ob eine Generation nach der nächsten sich immer weniger Sorgen über die generelle wirtschaftliche Entwicklung macht. Doch schaut man sich rechts an, wie das Ergebnis aussieht, wenn man Kohorten vergleicht, welche zur selben Zeit befragt wurden, zeigt sich wieder: Es gibt kaum Unterschiede zwischen den Generationen, wenn man sie zur selben Zeit befragt. Das heißt, dass alle sich mit der Zeit weniger Sorgen über die Wirtschaft machen, doch Unterschiede zwischen den Generationen gibt es dahingegen kaum. Der größte Unterschied nach Konstanthaltung von Alters- und Periodeneffekten ist, das die 1995 Geborenen sich mit 2,06 am wenigsten Sorgen um die wirtschaftliche Entwicklung machen und die 1955 geborenen Babyboomer mit 2,16 am meisten. Aber das ist ein maximaler Unterschied von 0,1 auf einer Skala von 1-3.

Immer wieder zeigt sich dieses Muster: Nicht die Generationenzugehörigkeit erklärt unser Denken, sondern wann wir nach etwas gefragt wurden. Fragt man also vermeintliche Generationen zur selben Zeit, zeigt sich, dass sie fast genau gleich denken (jeweils rechte Grafik).

Bei Sorgen um die eigene wirtschaftliche Situation zeigt tatsächlich auch die rechte Grafik, dass die um das Jahr 2000 geborene “Generation Z” sich sogar zum selben Zeitpunkt signifikant weniger Sorgen um ihre eigene wirtschaftliche Situation macht. Es stellt sich jedoch die Frage, für wie wichtig man einen Unterschied von 1,73 (von 3) der Generation Z gegenüber dem Maximalwert von 1,95 (der 1960 geborenenen Babyboomer) bewerten will.

Groß sind diese Unterschiede eben nicht und sie sind auch trotz der tausenden von Fällen statistisch kaum signifikant. Aber immer gibt es sie in diesem Fall auch nach Kontrolle von Periodeneffekten für die Generation Z: Die Generation Z macht sich also in der Tat signifikant weniger Sorgen um ihre eigene wirtschaftliche Situation, und das ist nicht vollständig durch ihr (junges) Alter oder ihren (späten) Befragungszeitpunkt ab 2018 zu erklären. Man muss allerdings vorsichtig sein, denn die sogenannte Generation Z ist in den neuesten vorhandenen Daten maximal 21 Jahre alt (geboren ab 2000, letzter Befragungszeitpunkt 2021). Es ist also gewagt, von den Einstellungen maximal 21-jähriger auf einen stabilen Generationeneffekt zu schließen.

Ähnlich ist es mit der Bewertung von Wichtigkeit von Erfolg im Beruf. Auch nach Kontrolle des Befragungsjahres zeigt sich, dass die Babyboomer Erfolg im Beruf für etwas wichtiger halten als später geborene Generationen. Zudem ist die Grafik rechts ähnlich wie links. Es gibt also keinen starken Periodeneffekt. Stattdessen zeigt sich, dass die 68er und Babyboomer Arbeit unabhängig von ihrem Alter und Befragungszeitraum beruflichen Erfolg für besonders wichtig halten. Aber wieder kann man fragen: Wie groß ist ein Unterschied von 3,01 (für die 68er) zu 2,71 (für die Generation Z) auf einer Skala von 1 bis 4?

Was ist vermeintlichen Generationen ansonsten wichtig?

Ich vermute, Sie haben das Konzept nun verstanden. Links sieht man immer einen vermeintlichen Generationeneffekt. Rechts sieht man, was davon übrig bleibt, wenn man den Periodeneffekt rausrechnet, also immer nur Menschen vergleicht, die zur selben Zeit befragt wurden.

Bei politischen Engagement zeigt sich ein vermeintlicher konstanter Anstieg (links), der aber fast vollständig durch einen Periodeneffekt zu Stande kommt. Es bleiben einige signifikante Unterschiede nach Kontrolle von Periodeneffekten (rechts). Aber die Frage ist: wie wichtig ist ein Unterschied von 2,25 (maximal) gegenüber 1,92 (minimal) bei der Frage, für wie wichtig unterschiedliche Generationen gesellschaftliches Engagement finden. Denn auch hier zeigt sich: die vermeintlichen Unterschiede (links) bevor man Periodeneffekte konstant hält sind viel stärker als die tatsächlichen Generationenunterschiede, welche nach Kontrolle des Befragungszeitpunkts übrig bleiben (rechts). Wir alle verändern also sehr stark unsere Meinung mit der Zeit (gesellschaftliches Engagement wird uns immer wichtiger). Doch von diesem fast linearen Anstieg, der über die Zeit hinweg alle erfasst, weichen Generationen kaum ab. Entsprechend dieser Logik können Sie nun die weiteren Kohorteneffekte vor (links) und nach Konstanthaltung der Periodeneffekte (rechts) selbst interpretieren und sich überlegen, wo Sie einen Unterschied relevant finden.